„Warum tragen Sie ein rotes Kreuz?“
von Pater Norbert Riebartsch
"Warum tragen Sie ein rotes Kreuz?“
werde ich manchmal gefragt. Mit der Antwort: „Um aufzufallen!“ habe ich die Lacher auf meiner Seite. „Und warum wirklich?“ lautet die nächste Frage
.
Doch die erste Antwort stimmt. Kamillus von Lellis (1550 – 1614) bat Papst Sixtus V. 1586 um ein auffallendes Zeichen. Seine 2 Jahre zuvor gegründete Gemeinschaft verpflichtete sich, auch bei ansteckend Kranken zu sein. Damals ging es um Pestkranke. Für sie und ihre Angehörigen sollten die Seinen auffallen. Das taten sie ab dann.
Die „Gemeinschaft der Krankendiener“ wirkte in Rom in verschiedenen Krankenhäusern. Dort waren die Kranken, die sich keine häusliche Pflege leisten konnten. Der Dienst an diesen Menschen war der Alltag. Wenn aber irgendwo eine Pest ausbrach, gingen Kamillianer in diese Gegenden und horchten. Ruft da jemand? Gibt es Verstecke, in denen sich Kranke befinden könnten? Weist uns ein Anwohner auf einen ansteckend Kranken hin?
Diese Menschen hatten Angst – Kranke wie Angehörige. Doch bei den Männern mit dem roten Kreuz auf dem schwarzen Gewand sollten sie wissen: „Da bin ich aufgehoben!“ Die Kranken wussten um die Ansteckungsgefahr. Kamillianer waren trotzdem da und zeigen: „Ich sorge mich um dich! Deine Angst soll kleiner sein als unsere Liebe!“
Um dies bekannter zu machen, zeigte sich Kamillus mit den Seinen an hohen Festen im Petersdom. Je mehr Menschen um die Idee der Gemeinschaft wussten, desto besser für jene, die ihre Hilfe einmal gebrauchen sollten. Er machte die Marke „rotes Kreuz“ bekannt!
War einmal der Kontakt hergestellt, konnte alles andere wachsen: Zuwendung, Versorgung der Wunden, Schmerzlinderung und vielleicht auch Sterbebegleitung.
Auffallen und angesprochen werden ist ein Thema im Krankenhaus. Wer trägt welche Kittel? In welchem Haus gilt welcher Farbcode? Tragen hier die Leute der Physio bordeauxrot oder sind es wie im anderen Haus die Mitarbeiter(innen) im Patiententransport?
Die Mitarbeiter(innen) der Funktionsbereiche tragen in der Uniklinik Freiburg verschiedenfarbige Shirts. Ich weiß, nach welcher Farbe ich Ausschau halte, wenn ich z.B. eine Frage an die Techniker habe. Eine Frage zu einem Patienten brauche ich jenen im grünen Tuch nicht stellen. Sie gehören nicht zur Station. Sie haben ihren Spezialauftrag für einen Menschen und verlassen dann die Station. Doch gerade sie fallen auf und sind beliebte Ansprechpartner(innen).
Das Signal der Shirts gelingt bei uns. Es hat auch eine Schattenseite. Ich bin in der Gefahr, in den Mitarbeiter(innen) mehr die Funktionsträger(innen) zu sehen. Ich suche nicht eine(n) konkrete(n) Mitarbeiter(in), sondern einen Mensch in rot/gelb/grün/blau etc.
Ich wünsche mir die Kombination aus Gesicht/Name/Begabung. Ich will nicht die Frau in Gelb sehen. Ich erkenne „Frau Müller“ auch in der Stadt in der Zivilkleidung wieder und weiß: Sie hat ein gutes Gespür für unsichere Menschen. Ich kann ihr ohne den Stress des Alltags eine Rückmeldung geben. Sie muss nicht mehr auffallen durch ihre Kleidung. Sie genießt Vertrauen, das aus der Begegnung kommt. Da zählt sie – denn sie hat es sich verdient.
Eine Pflegende erzählte von einer Begegnung im Schwimmbad. Jemand bat sie, eine Wunde zu begutachten. Ein Angehöriger eines aktuellen Patienten hatte sie erkannt. Er wollte nun wissen, ob seine Verletzung harmlos ist oder er sich in der Ambulanz vorstellen soll. Die Frau war verärgert und stolz zugleich. Ärgerlich, hier nicht ihre Ruhe zu haben. Stolz, auch im Badeanzug erkannt zu werden. Ihr Gesicht hatte sich eingeprägt. Dieser Angehörige hatte Vertrauen zu ihr.
Pater Norbert Riebartsch, Kamillianer
Pater Norbert Riebartsch
Leiter der Katholischen Klinikseelsorge
UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG
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