Katholischer Pflegeverband

Pflege – was bleibt nach Covid-19?

von Herrn Ernst Olbricht

Seit dem ersten Ausbruch dieser Pandemie in China sind viele Tage und Wochen vergangen. Wir staunten wie die Chinesen innerhalb von kürzester Zeit ein riesiges Krankenhaus buchstäblich aus dem Boden gestampft haben. Es erschreckte mich auch die hohe Zahl von Infizierten und die vielen Toten. Dies im fernen China, viele Flugstunden von uns weg, weit weg.

Dieses weit weg kam aber immer näher und mancher bekannter Skiort wurde zum europäischen Hot-Spot mit Auswirkungen nach Deutschland – auch hier erkrankten immer mehr Mitbürger.

Schließlich endlich wanderte der Virus über die ganze Welt und so mancher Staatspräsident wusste nicht so recht, was er machen sollte, auch wenn bekannte Mediziner warnten und empfahlen geordnet Maßnahmen zu ergreifen. Mit einer Pandemie kann man eigentlich keinen Deal machen.
Es werden immer die Beteiligten bzw. die in vorderster Reihe stehenden Menschen mit Hochachtung bedacht – die sogenannten Helden des Alltags und sind auf einmal Systemrelevant.

Es wird viel geklatscht, es gibt Pizzas, Leberkäswecken, kostenlose Autoputzaktionen, Plakate und vieles mehr.

Ja, vieles mehr bedeutet am Arbeitsplatz: Umgang mit Patienten, die in ganz besonderen Situationen sich befinden, die dies so noch nie erlebt haben. Ein Krankheitserreger, der auf den Tagesschaubildern recht adrett und harmlos aussieht mit den roten Andockstellen, aber im nächsten Augenblick, wenn er sich in unserem Körper ausbreitet, sehr gemein sein kann und uns als Menschen sogar den Tod beschert.

Diese Begleitung der Patienten geschieht in den vielen Handreichungen, Pflegetätigkeiten, Überwachung von Beatmungsgeräten und - solange er noch reden kann - in Gesprächen. All dies erledigen Pflegefachkräfte, die bis an die Leistungsfähigkeit und darüber hinaus des Einzelnen geht.
Dazu wurde in Deutschland das Arbeitszeitgesetz ausgesetzt bis die Pandemie vorüber ist. Was macht das im Vordergrund mit uns Pflegenden: wir werden gebraucht! Aber auch verbraucht!

Dieses Verbrauchen geschieht nun täglich – wie lange der Körper und die Seele das mit macht, hängt stark von jedem Einzelnen ab. Gibt es nach der Krise einen Ort, der unsere Körper und Seelen wieder aufbaut? Haben da unsere Oberen aus Politik, Kassen, Rentenversicherungsträger und die Trägervertreter mal nachgedacht? Sie sollten es: ansonsten kehren viele Kolleginnen und Kollegen diesem guten Beruf den Rücken zu.

Ich sehe auch die Auszubildenden, die je nach Lage hart und unbarmherzig in die Situationen hineingeschmissen werden, wenn sie Glück haben, sind erfahrene KollegInnen in dem Augenblick dabei und können vieles in kurzen Gesprächen auffangen.

In all den Fernsehsendungen habe ich nur ganz wenige bis gar keine Pflegekräfte gesehen, die ihre Lage geschildert haben, sicher die Virologen und Immunologen erklären in allgemein verständlichen Worten die Pandemie mit all den Auswirkungen auf den Menschen. In einer Sendung im Südwestfernsehen befragte der Moderator einen Virologen, was er von den Pflegekräften halte und was diese leisten. Es kamen gut gemeinte Worte für uns Pflegende herüber, aber dann kippte er wieder in die medizinische Seite um.

In Zeitungen und Zeitschriften melden sich auch die Alltagshelden zu Wort und erzählen ihre Erlebnisse mit Bewohnern und Klienten in ihrem Arbeitsumfeld – meist sehr gut und emotional.
Dies ist gut so. Aber reicht dies aus? Von unseren Pflegewissenschaftler habe ich noch keinen im Fernsehen gesehen – wo sind Sie? Auch Vertreter des DPR, Berufsverbänden und Pflegekammern konnte ich noch nicht erblicken. Woran liegt es?

Es wird von einzelnen Politikern immer wieder versichert, dass die Pflegenden einen bessere Bezahlung verdient haben. Bei manchen Politikern ahne ich, die nächste Wahl steht bevor!
Diese Aussagen sollten wir zusammen mit den Gewerkschaften, Berufsverbänden und Pflegekammern nutzen, um dies auch durchzusetzen, im gleichen Zuge müssen wir dann auch eine andere Personalausstattung in Kliniken, Pflegeheimen und ambulanten Diensten durchsetzen.

Ansonsten verhallen solche Aussagen und nach der Krise will dies niemand mehr wissen.

Gerade werden milliardenschwere Stützungszahlungen an kleinste, kleine und mittlere Betriebe vergeben. Sicher in den allermeisten Fällen eine gute Sache. Bei diesen horrenden Zahlen tauchte nur am Rande das Krankenhaus auf mit schlappen 3 Milliarden Euro. Dazu kommen sicherlich noch einige Milliarden von den Kranken- und Pflegekassen, die sind nicht so ersichtlich und manchmal steckt in so mancher „milden“ Gabe der Kassen der Teufel im Kleingedruckten. Dies schreckt so manchen Träger ab.

Noch ein Wort zu den PSA (persönliche Schutzausrüstung): Die aktuelle Beschaffung ist nicht einfach. Es wird so mancher Gegenstand mit einem hohen Aufschlag verkauft, da sollte die Politik einschreiten. Es geht ja um die körperliche Unversehrtheit unserer Kolleginnen und Kollegen in der täglichen Pflege. Sicherlich sollte die Politik in der Zukunft mehr tun, um solchen eklatanten Versorgungsengpässen vorzubeugen. Zentrale Beschaffung, Einlagerung und Abgabe an die beteiligten Einrichtungen in Krisenzeiten. Die Unversehrtheit müssen die Leiter der Einrichtungen sicherstellen – sie stehen oft auf einsamen Posten.

Wenn ein Impfstoff gefunden werden sollte, müssten alle Pflegekräfte zuerst geimpft werden, weil sie die pflegerische Versorgung in vorderster Linie in Deutschland sicherstellen.

Nun wurde aber noch nicht das Seelenleben der Kolleginnen und Kollegen beleuchtet. Diejenigen, die sich weiter in den Dienst der Pflege in Deutschland stellen, bedürfen einer Zeit des Ausruhens, der Sammlung der körperlichen und seelischen Kräfte, um dann wieder an ihren Arbeitsplatz zurück zu kehren. Dies ist eine Aufgabe der Rentenversicherung und es darf zu keiner irgendwie geforderten Überprüfung der Umstände kommen – es ist genehmigt ohne Wenn und Aber. Über einen längeren Zeitraum sollte jedem (von Jung bis Alt, Fachkraft oder Angelernte) eine psychologische Begleitung in Einzel- und Gruppensitzungen angeboten werden, um eine Aufarbeitung des Erlebten zu ermöglichen.

Es sollten schon in der Pflegeausbildung – Pflege in Ausnahmesituationen – Unterrichtszeit dafür verwendet werden, um die jungen Kolleginnen und Kollegen darauf vorzubereiten, wie es in der Praxis sein könnte. Vielleicht entsteht in der Bevölkerung ein besonderes Bewusstsein, das wiederum den jungen Menschen den Weg in die Pflegeberufe leichter macht. Das neue Pflegeberufegesetz sieht eine Weiterentwicklung vor.

Diese Krise könnte auch ein Beschleuniger sein, um längst überfällige Schranken in der Versorgung zu überwinden. Ich denke an den § 63 Abs. 3c SGB V – Neuverteilung von Zuständigkeiten im Sinne einer guten Versorgung der Bevölkerung. Der Katastrophenfall sieht eine Öffnung (§ 5a IFSG) vor. Warum sollte es nicht immer so sein!

Alle Versorgungssettings sind im Auge zu behalten, weil nur ein Miteinander aller systemrelevanten Berufsgruppen die medizinischen und pflegerischen Krisen der Zukunft überwinden können.
Sind wir alle mutig und fordern Veränderungen im Sinne einer guten Versorgung der Bevölkerung und der Berufsgruppe Pflege. Somit bleiben wir systemrelevant.

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